VERGIFTUNGSGRADE (INTOXIKATIONSGRADE)
Poison H301 Dtox ☠ CO
Eine Vergiftung des menschlichen Körpers kann sowohl akut als auch chronisch auf unterschiedliche Weise erfolgen wie etwa durch Einatmen, Injektion, Haut- und Schleimhautkontakt oder wie in den meisten Fällen oral um anschließend im Magen-Darm-Trakt in den Körper überzugehen.
Stellvertretend für die deutschen Giftnotrufzentralen enthält der Jahresbericht 2015 der Toxikologischen Abteilung der II. Medizinischen Klinik im Klinikum rechts der Isar in München, eine Übersicht über die Anzahl und Anlässe der Anrufe.
34.104 Anrufe von Bürgern, Ärzten, Apothekenpersonal (davon betrafen 765 Anfragen zu Vergiftungen bei Tieren).
Anfragen zu Kinder bis 14 Jahre betrafen: Medikamente, Reinigungsmittel, Pflanzen/Pilze, Sonstiges, Kosmetika, Chemikalien, Lebensmittel/Tabak, Tiere.
Anfragen zu Jugendliche von 14-17 Jahre betrafen: Medikamente, Chemikalien, Drogen, Sonstiges, Pflanzen/Pilze, Lebensmittel, Tiere.
Anfragen zu Erwachsenen über 18 Jahre betrafen: Medikamente, Chemikalien, Drogen, Sonstiges, Lebensmittel, Pflanzen/Pilze, Tiere.
Anfragen zu Tieren betrafen: Chemikalien, Pflanzen/Pilze, Medikamente, Sonstiges, Lebensmittel, Tiere.
Um die Vergiftungen verursachenden Chemikalien, Reizgase, Arzneimittel, chemische Haushaltsprodukte, Kosmetika, Lebensmittel, Genussmittel, Pflanzenschutzmittel, Pilze, Giftpflanzen, Gifttiere u. a. eine international einheitliche Grundlage für Ärzte aber auch für Datenerfassungen und den daraus abgeleiteten Statistiken zu ermöglichen, wurden vom IPCS (International Programme on Chemical Safety) standardisierte Schweregradeinteilungen (PSS) mit Beschreibungen von Symptome bei den betroffenen Organen vorgenommen:
Schweregrad 0 Keine |
Keine Symptome oder Anzeichen einer Vergiftung |
Schweregrad 1 Leicht |
Leichte, vorübergehende und spontan vergehende Symptome Magen-Darm-Trakt Erbrechen, Durchfall, Schmerzen; Schleimhautreizung (Verätzung 1. Grades), vereinzelte Geschwüre im Mund; Endoskopie: Schleimhautrötung oder Schwellung Atemtrakt Reizgefühl, Schleimhautreizung, Husten, Kurzatmigkeit, leichte Atemnot, geringgradiger Bronchospasmus; auffälliger Röntgen-Thorax-Befund ohne Beschwerden Nervensystem Benommenheit, Schwindel, Tinnitus (Ohrgeräusch), Ataxie (Störung im geordneten Ablauf und in der Koordination von Muskelbewegungen); innere Unruhe; leichte extrapyramidal-motorische Bewegungsstörungen, leichte cholinerge oder anticholingere Symptome; Missempfindungen (Kribbeln); leichte Seh- oder Hörstörungen Herz- Kreislauf-System Isolierte Extrasystolen; leichter und vorübergehender Blutdruckanstieg oder Blutdruckabfall Stoffwechsel Leichte Säure-Base-Störungen (HCO₃ ~ 15 - 20 mmol/l oder 30 - 40 mmol/l, pH-Wert 7,25 - 7,32 oder 7,50 - 7,59); leichte Elektrolytstörungen (K+ 3,0 - 3,4 oder 5,2 - 5,9 mmol/l); leichte Hypoglykämie (Erwachsene: ~ 50 - 70 mg/dl oder 2,8 - 3,9 mmol/l); Hyperthermie (hohes Fieber) von kurzer Dauer Leber Leicht erhöhte Leberenzyme im Serum (AST, alt ~ 2- 5-fach erhöht gegenüber Normalwerten) Nieren Geringe Proteinurie oder Hämaturie Blut Leichte Hämolyse; leichte Methämoglobinämie (Met-HB ~ 10 - 30 %) Muskulatur Leichte Schmerzen, Muskelverspannung; CPK ~ 250 - 1.500 U/l Haut Hautreizung 1. Grades (Rötung) oder Verätzungen 2. Grades auf < 10 % der Körperoberfläche Augen Augenreizung, Rötungen, Tränenfluss, leichtes Lidödem Biss-und Stichverletzung lokale Schwellung, Juckreiz; leichte Schmerzen |
Schweregrad 2 Mittel |
Ausgeprägte oder lang anhaltende Symptome Magen- Darm-Trakt Heftiges oder anhaltendes Erbrechen, Durchfall, Schmerzen, Darmverschluss/Darmlähmung; Verätzung 1. Grades in kritischen Bereichen oder Verätzung 2. und 3. Grades in wenigen Bereichen; Dysphagie (Schluckbeschwerden); Endoskopie: Schleimhautzerstörung Atemtrakt Anhaltender Husten, Bronchospasmus, Atemnot, pfeifendes Atemgeräusch, reduzierte Sauerstoffsättigung; auffälliger Röntgen-Thorax-Befund mit mäßigen Beschwerden Nervensystem Bewusstlosigkeit mit gezielter Reaktion auf Schmerz; kurzer Atemstillstand, verlangsamte Atmung; Verwirrtheit, Unruhe, Halluzinationen, Delirium; vereinzelt lokale oder generalisierte Anfälle; ausgeprägte extrapyramidal-motorische Bewegungsstörungen, ausgeprägte cholinerge oder anticholingere Symptome; örtlich beschränkte Lähmung ohne Beeinträchtigung lebenswichtiger Funktionen; Seh- oder Hörstörungen Herz- Kreislauf-System Sinusbradykardie (Erwachsene: HR ~ 40-50 /min, Kinder/Säuglinge: HR ~ 60 - 80 /min, Neugeborene: HR ~ 80 - 90 /min); Sinustachdykardie (Erwachsene: HR ~ 140-180/min, Säuglinge/Kinder: HR ~ 160 - 190/min, Neugeborene: HR ~ 160 - 200/min); häufige Extrasystolen, Vorhofflattern oder - flimmern, AV-Block °I-II, EKG: verbreiterte QRS- und QT-Zeit; Repolarisationsstörungen; Myokardischämie (Minderversorgung des Herzmuskels); ausgeprägter Blutdruckanstieg oder Blutdruckabfall Stoffwechsel Mäßige Säure-Base-Störungen (HCO₃ ~ 10 - 14 mmol/l oder > 40 mmol/l, pH-Wert HCO₃ ~ 7,15 - 7,24 oder 7,60 - 7,69); mäßige Elektrolytstörungen (K+ 2,5 - 2,9 oder 6,0 - 6,9 mmol/l); mäßige Hypoglykämie (Erwachsene: ~ 30 - 50 mg/dl oder 1,7-2,8 mmol/l); anhaltende Hyperthermie Leber Anstieg der Leberenzyme im Serum (AST, ALT ~ 5- bis 50-fach erhöht gegenüber Normalwerten) aber ohne biochemische (z. B. Ammonia, Blutgerinnungsfaktoren) oder klinische Leberfunktionsstörungen. Nieren Starke Proteinurie oder Hämaturie; Nierenfunktionsstörungen (z. B. Oligurie, Polyurie oder Kreatinin im Serum ~ 200 - 500 µmol/l) Blut Hämolyse; mäßige Methämoglobinämie (Met-Hb ~30 - 50 %); Blutgerinnungsstörungen ohne manifeste Blutung; Anämie, Leukozytopenie, Thrombozytopenie Muskulatur Schmerzen, Steifigkeit. Krämpfe, Zuckungen; Rhabdomyolyse, CPK ~ 1.500 - 10.000 U/l Haut Verätzungen 2. Grades auf 10 - 30 % der Körperoberfläche oder Verätzungen 3. Grades auf < 2 % der Körperoberfläche. Augen Starkes Brenngefühl, Hornhautabschürfungen; kleine (punktförmige) Hornhautgeschwüre Biss- und Stichverletzung Schwellung des gesamten betroffenen Körperteils, lokale Nekrosen (Gewebstod); mäßige Schmerzen |
Schweregrad 3 Schwer |
Tod oder lebensbedrohliche Symptome Magen- Darm-Trakt Massive Blutung, Perforation; ausgeprägte Verätzungen 2. oder 3. Grades; schwere Schluckstörung; Endoskopie: Tiefes Ulkus (Geschwür), ringförmige Läsionen, Perforation schwere Hypoglykämie (Erwachsene: < 30 mg/dl oder 1,7 mmol/l); Rhabdomyolyse mit Komplikationen, CPK~ > 10.000 U/l) Kompartment-Syndrom |
Schweregrad 4 Tödlich |
Tod |
Grad 1 | Geringfügige Bewusstseinseinschränkung. Euphorie oder Ängstlichkeit; Aufmerksamkeitsdefizit; Schwierigkeiten, zu addieren. |
Grad 2 | Lethargie, Apathie; minimale Desorientierung zu Zeit und Raum; subtile Persönlichkeitsveränderungen; unangepasstes Verhalten; Schwierigkeiten, zu subtrahieren. |
Grad 3 | Somnolenz bis Stupor; Reaktion auf verbale Stimuli; Verwirrtheit; Desorientierung zu Zeit und Raum. |
Grad 4 | Koma; keine Reaktion auf verbale Reize oder Schmerzstimulation. |
Schweregrad 1 | leichte Vergiftung | Typische Magendarmsymptome ohne spätere Leber- und Nierenschädigung |
Schweregrad 2 | mittelschwere Vergiftung | Typische Magen- darmsymptome mit leichter Leberschädigung (Transaminasen unter 500 U/l) und ohne Blut-Gerinnungsstörung |
Schweregrad 3 | schwere Vergiftung | Verlauf wie 2, aber mit schwerer Leberschädigung (Transaminase > 500 U/l, eventuell Bilirubinerhöhung), gestörte Blutgerinnung |
Schweregrad 4 | sehr schwere Vergiftung | Leberzerfall mit schnellem Anstieg der Transaminasen und schnellem Abfall der Gerinnungsfaktoren; zusätzlich Bilirubinerhöhung und Zeichen der Nierenschädigung |
LATENZZEITEN: Erste Magen-Darmprobleme 8 bis 12 Stunden (frühestens 6 und spätestens 24 Stunden) nach der Pilzmahlzeit. Leberenzymerhöhung 24-48 Stunden nach der Pilzmahlzeit mit maximalen Werten am 2. bis 4. Tag. |
< 1 % CO-Hb-Blutspiegel | Normalwert der Bevölkerung |
ab 5–10 % CO-Hb-Blutspiegel | Raucher |
ab 10 % CO-Hb-Blutspiegel | Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, EKG: ST-Senkung |
ab 20 % CO-Hb-Blutspiegel | Beeinträchtigung des Urteilsvermögens, Gesichtsfeldeinengung |
ab 30 % CO-Hb-Blutspiegel | Beginnend Bewusstseinsstörung, flache Atmung |
ab 40 % CO-Hb-Blutspiegel | Kreislaufkollaps, Lungenödem |
ab 60 % CO-Hb-Blutspiegel | Muskelkrämpfe, Koma, Atemstillstand, Tod |
Rauchwarnmelder Gasfilter
Chlor (Cl) gelbgrün, stechender Geruch (Schwimmbadwasser, Haushaltsreiniger)
Kohlendioxid (CO₂) farb-, geruch- und geschmackloses Erstickungsgas/Treibhausgas (sammelt sich bei unzureichender Belüftung in Weinkellern, Brunnen, Futtersilos oder Jauchegruben infolge von Gärungsprozessen an)
Kohlenmonoxid (CO) farb- und geruchlos (unvollständige Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Stoffen wie beim Betrieb eines Holzkohlengrills im geschlossenen Raum oder durch schlechten Kaminabzug)
Ozon (O₃) farblos bis bläulich, unangenehm stechender Geruch (entsteht unter Einfluss von Sonnenstrahlung bei schwachem Wind)
Phosgen (COCl₂) farblos, süßlich-faul, wie feuchtes Heu oder faulende Bananenschale (PVC-Verbrennung)
Schwefeldioxid (SO₂) farblos, stechender Geruch (Verbrennen fossiler Brennstoffe wie Kohle und Erdöl)
Schwefelwasserstoff (H₂S) farblos, riecht intensiv nach faulen Eiern (Jauchegrube, Kläranlage)
Haut | Abdomen (Bauch) | Respirationstrakt (Atmungsorgane) | Herz-Kreislauf-System | |
---|---|---|---|---|
Grad I | Juckreiz Flush (Erröten) Urtikaria (Nesselsucht) Angioödem (Schwellungen im Gesicht) |
- | - | - |
Grad II | Juckreiz Flush (Erröten) Urtikaria (Nesselsucht) Angioödem (Schwellungen im Gesicht) |
Nausea (Übelkeit) Krämpfe |
Rhinorrhoe (Absonderung von Nasensekret) Heiserkeit Dyspnoe (Atemnot) |
Tachykardie (Herzjagen) (Anstieg ≥ 20/min) Hypotonie (niedriger Blutdruck) (Abfall ≥ 20 mmHg systolisch) Arrhythmie (unregelmäßige Herztätigkeit) |
Grad III | Juckreiz Flush (Erröten) Urtikaria (Nesselsucht) Angioödem (Schwellungen im Gesicht) |
Erbrechen Defäkation (Stuhlentleerung) |
Larynxödem (Kehlkopfschwellung) Bronchospasmus (Verkrampfung der Atemwege) Zyanose (bläuliche Verfärbung der Haut) |
Schock |
Grad IV | Juckreiz Flush (Erröten) Urtikaria (Nesselsucht) Angioödem (Schwellungen im Gesicht) |
Erbrechen Defäkation (Stuhlentleerung) |
Atemstillstand | Kreislaufstillstand |
Stadium I | 0,5–1,5 ‰ | Enthemmung, Leichte Gangunsicherheit, Verwaschene, undeutliche Sprache, Reizbarkeit, Benommenheit |
Stadium II | 1,5–2,5 ‰ | Euphorische Stimmung oder aggressive Gereiztheit, Bewusstseinstrübung, Schwere Gangstörungen |
Stadium III | 2,5–3,5 ‰ | Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit, Schläfrigkeit bis Koma, Schmerzunempfindlichkeit, Unterzuckerung, Unterkühlung |
Stadium IV | > 3,5 ‰ | Tiefes Koma, Atemstörungen bis hin zum Atemstillstand, Herz-Kreislaufversagen, Tod (ab 3 ‰) |
👉
Bei verschluckten Giften wird oft empfohlen, den Finger in den Hals zu stecken um ein Erbrechen auszulösen.
Sofern das Verschlucken einer giftigen Substanz nicht länger als zwei Stunden zurücklieg und es sich um keine aggressiven Flüssigkeiten gehandelt hat, die
auf dem "Rückweg" die Speisröhre ein weiteres Mal verätzen könnte, kann diese Maßnahme hilfreich sein.
Um eine Kochsalzvergiftung zu vermeiden, sollte die Verabreichung einer lauwarmen Kochsalzlösung (wegen der Gefahr einer Elektrolytstörung infolge
erhöhten Wasserentzugs nicht bei Kleinkindern oder Bewusstlosen anwenden) nur vorgenommen werden, wenn sichergestellt ist, dass umgehend erbrochen wird.
Ansonsten gilt: Bei einer Giftnotrufzentrale anfragen, was unternommen werden soll. Im Zweifel immer einen Notarzt rufen.
NACA-Index
"Alle Angaben auf dieser Seite dienen nur der allgemeinen Information und nicht der Selbstdiagnose, geben keine Therapieempfehlungen und ersetzen nicht den Arztbesuch!"